EURO Countdown - Johanna Reichert: Ich werde alles für die Mannschaft und mein Land geben

Johanna Reichert - Copyright: ÖHB/Agentur DIENER/Eva Manhart

In weniger als einer Woche startet Österreich gegen die Slowakei in die Heim-EURO. Große Erwartungen und Hoffnungen legt Johanna Reichert in das Turnier. Im Interview spricht sie über ihren Werdegang, ihre Persönlichkeit, Rituale, die Matura und ihre Tiefen aufgrund des Bandscheibenvorfalls.

Wie bist du zum Handball gekommen?
Johanna Reichert: „In meiner Familie haben bereits einige Handball gespielt, wie meine Cousine, mein Cousin oder mein Onkel. Ich war ein sehr aktives Kind und meine Mutter wollte mich in einen Sportverein stecken. Ich bin dann in eine Ballspielgruppe gekommen die vom Handballverein organisiert war. Man hat mir früh gesagt, ich hätte Talent und ich war von Anfang an gefesselt. Nebenbei habe ich auch geturnt, aber es wurde immer Wert auf Handball gelegt.“

Beschreibe dich auf dem Platz und abseits davon.
Johanna Reichert: „Außerhalb vom Spielfeld bin ich emotionaler und viel offener. Am Spielfeld zeige ich wenig Emotionen. Ich freue mich über jedes Tor und jede gute Aktion meiner Mitspielerinnen, aber wenn ich selbst ein Tor werfe, freue ich mich nicht für mich. Es ist für mich wertvoller, dass das Team Erfolg hat.“

Hast du ein Spieltagsritual?
Johanna Reichert: „Es ist immer unterschiedlich mit Heim- und Auswärtsspielen. Bei Heimspielen ist für mich immer Putztag. Da räume ich die Wohnung zusammen. Dazu esse ich auch immer das gleiche und vor dem Spiel brauche ich einen Energy Drink. Ich binde mir immer meinen linken Schuh zuerst und das Handgelenk wird erst getapet wenn der Trainer die Besprechung macht.“

Wobei kannst du am besten entspannen?
Johanna Reichert: „Prinzipiell habe ich nicht viel Stress außerhalb vom Handball. Entspannung bedeutet für mich einen Film schauen, am liebsten Disney-Filme, eine Serie die mich zum Lachen bringt und in Gesellschaft sein, bzw. Zeit mit der Familie und Freunden.“

Was sollte im Handball zusätzlich erlaubt oder verboten sein?
Johanna Reichert: „Meiner Meinung nach gehört die Stürmerfoul-Regel überarbeitet. Wenn bspw. der Ball von der Torfrau raus kommt und plötzlich steht eine Gegnerin vor einem, das dürfte zumindest in der eigenen Hälfte kein Foul sein. Ansonsten finde ich es cool, wie sich der Handball entwickelt. Er wird immer schneller und dadurch auch attraktiver.“

Dein schönster Handballmoment (unabhängig von Alter, oder ob aktiv oder passiv)?
Johanna Reichert: „Das war die erfolgreiche Quali für die WM 2021. Das hat schon begonnen mit der Auslosung, als wir die Nachricht bekommen haben, dass wir auf Polen treffen. Da haben wir gewusst, das ist ein Gegner den wir schlagen können. Nach dem Unentschieden zuhause war die Zuversicht noch größer. Man hat gesehen, dass Polen am Limit war und wir uns aber noch steigern können. In Polen haben wir vom ersten Pfiff an gewusst, wir werden das Spiel gewinnen. Egal wie. Das Gefühl und die Euphorie danach, das war einfach unglaublich.“

Dein größter Erfolg abseits vom Handball
Johanna Reichert: „Ich würde sagen die Matura. Dadurch, dass ich nicht in einer Sportschule war, sondern an einem normalen Gymnasium und in der 12. Schulstufe zu Atzgersdorf gewechselt bin, war das zeitlich sehr hart. Mit den zusätzlichen Nationalteam-Lehrgängen habe ich viel verpasst. Aber es ist mir trotzdem gelungen Handball und Schule unter einen Hut zu bekommen. Erfolge sind für mich auch Entwicklungen in der Persönlichkeit. Dass ich mit 19 Jahren ins Ausland gegangen bin, weg von meinem gewohnten Umfeld, war für mich ein großer Schritt. Man entwickelt sich anders weiter wenn man so ins kalte Wasser gestoßen wird. Man entwickelt eine neue Selbständigkeit und lernt, dass man sich auf sich selbst verlassen kann.“

Ein besonderes Talent, von dem keiner weiß?
Johanna Reichert: „Ich kann alles um mich herum ausschalten und sehr gut in meiner eigenen Bubble sein. Wenn ich will, kann ich alles um mich herum ignorieren. Und ich bin ein bisschen musikalisch.“

Was bedeutet dir die Women´s EHF EURO 2024?
Johanna Reichert: „Viel. Die Heim-EURO war damals für mich ein Grund, warum ich ins Ausland gegangen bin. Das war für mich der Ansporn. Ich wollte wissen, was alles möglich ist. Zuvor hatte ich nicht darüber nachgedacht Profi zu werden. Die Heim-EURO ist die Bühne auf der man zeigen kann was möglich ist und was man alles herauskitzeln kann. Man spürt zudem jetzt erst, dass es ein ganz anderes Gefühl ist im Vergleich zu 2021 und 2023. Die Stimmung, das Gefühl und die Motivation sind ganz anders.“

Deine Einschätzung zur Vorrundengruppe?
Johanna Reichert: „Natürlich hätten wir uns andere Gegner gewünscht. Vor so einer Auslosung hat man seine Wunschgegner im Kopf. Mit Norwegen haben wir den amtierenden Olympiasieger und Europameister gezogen. Das wird ein Spiel in dem wir lernen können und frei aufspielen können. Slowenien ist natürlich ein hartes Los, war heuer ebenfalls bei den Olympischen Spielen und hat in den letzten Jahren große Nationen gefordert und geschlagen. Aber das haben wir auch in den letzten Jahren gezeigt, dass wir gegen größere Nationen bestehen können. Mit den Fans im Rücken und der Leidenschaft die wir auf das Spielfeld bringen, fahren wir hoffentlich mit Siegen über die Slowakei und Slowenien nach Wien. Wir werden alles dafür geben.“

Welche Erwartungen hast du?
Johanna Reichert: „Dass es einfach eine megageile Zeit wird. Eine Heim-EURO dürfen nicht viele Sportlerinnen erleben. Es ist ein Privileg vor den eigenen Fans im eigenen Land spielen zu dürfen. An mich selbst ist die Erwartung, dass ich jede Sekunde die ich am Feld bin alles für die Mannschaft und mein Land gebe, damit ich nach dem Turnier stolz auf mich sein kann. Ich möchte mit vielen positiven Erinnerungen nachhause fahren von denen ich später einmal meinen Kindern und Enkelkindern erzählen kann. Und dass sich alles was ich bis jetzt investiert habe an Zeit, Kraft und Aufwand, am Ende ausgezahlt hat.“

Sportlerinnen-Karrieren sind meist von Höhen und Tiefen gleichermaßen geprägt. Wie war das bislang bei dir.
Johanna Reichert: „Ich hatte viele Höhen, aber auch Tiefen. Mit 13 hat es angefangen. Da bekam ich erstmals die Diagnose, dass ich einen Knorpelschaden habe und musste eine ganze Saison aussetzen. So jung hat man noch gar keinen Begriff dafür, was das mit einem macht und was man investieren muss um zurückzukommen. Nachdem ich das bewältigt hatte, hatte ich viele Höhen, wie die ersten Anfragen von WHA-MEISTERLIGA-Vereinen oder meinem Wechsel nach Deutschland. 2021 kam dann die Diagnose Bandscheibenvorfall. Das war damals für mich ein Einbruch, auch weil viele Ärzte meinten, man muss schauen, ob ich überhaupt noch Handball spielen kann. Das war eine richtig harte Zeit. Nicht nur von den Schmerzen her, sondern auch vom Kopf. Man hat so viel dafür investiert und so viel aufgegeben und dann kommt eine Diagnose, die alles in Frage stellt. Ich habe mich dann zurückgearbeitet, was schwer war, weil auch Angst dabei war. Ich hatte bei jeder Bewegung Angst, dass der Schmerz zurückkommt. Es lief dann wieder gut, doch kaum war ich in einem Hoch, kamen wieder die Schmerzen. Ich habe im Rücken eine tickende Zeitbombe. Aber dadurch genieße ich die Zeit noch viel mehr. Ich weiß, Handball ist nicht für die Ewigkeit. Dadurch hat es für mich einen ganz anderen Wert angenommen. Ich hoffe, dass ich es einmal selbst über mein Karriereende entscheiden kann und nicht mein Körper.“

Johanna Reichert
Geburtsdatum: 31.12.2001
Geburtsort: Korneuburg
Aktueller Verein: Thüringer HC (GER)
Position: Rückraum Links
Rückennummer Verein/Nationalteam: 29/67
Länderspiele: 46
Tore: 99
Nationalteam-Debüt: 26.09.2019, EURO-Quali NED vs. AUT in Eindhoven (NED)
Erster Treffer im Nationalteam: 19.03.2021, WM-Quali KOS vs. AUT in der Südstadt

Road to EHF EURO 2024

Österreich vs. Deutschland
So., 24. November 2024, 15:15 Uhr, Innsbruck

Tickets für sämtliche Spiele sind über den ÖHB-Ticketshop erhältlich.

16th Women´s EHF EURO 2024

28. November bis 15. Dezember 2024
Ausrichter: Österreich, Schweiz, Ungarn
Titelverteidiger: Norwegen
Spielorte: Basel (SUI), Innsbruck (AUT), Debrecen (HUN), Wien (AUT)
Offizielle Websitehttps://catchthespirit2024.com
Official EURO-SongSchick Sisters & OPUS Band: Live Is Life (“Catch The Spirit-Version”)

Alle Pakete und Tagestickets für die Women's EHF EURO 2024 sind hier erhältlich:
Ö-Ticket
Wiener Stadthalle
Eventim
Ticketkrone

Der vollständige Spielplan steht hier zum Download zur Verfügung.

Übersicht Vorrundengruppen

Debrecen (HUN), Főnix Aréna
Gruppe A: Schweden, Ungarn, Nordmazedonien, Türkiye
Gruppe B: Montenegro, Rumänien, Serbien, Tschechien

Basel (SUI), St. Jakobshalle
Gruppe C: Frankreich, Spanien, Polen, Portugal
Gruppe D: Dänemark, Schweiz, Kroatien, Färöer Inseln

Innsbruck (AUT), Olympiahalle
Gruppe E: Norwegen, Österreich, Slowenien, Slowakei
Gruppe F: Niederlande, Deutschland, Island, Ukraine

Spielplan

Österreich vs. Slowakei
Do., 28. November 2024, 18:00 Uhr, Innsbruck

Norwegen vs. Österreich
Sa., 30. November 2024, 18:00 Uhr, Innsbruck

Slowenien vs. Österreich
Mo., 01. Dezember 2024, 18:00 Uhr, Innsbruck

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